Bedingungen „unter aller Sau“

Dr. Sascha Raabe (SPD), Bundestagsabgeordneter

Die jüngsten Vorfälle in Betrieben der Fleischindustrie sind im wahrsten Sinne des Wortes eine echte Schweinerei. Und damit meine ich nicht nur die Missachtung der Abstands- und sonstigen Hygieneregeln, die zur massenhaften Verbreitung des Corona-Virus bei Beschäftigten und deren Angehörigen geführt haben. Der eigentliche Skandal liegt darin, dass die Arbeitsbedingungen, Wohnverhältnisse und Entlohnung der Beschäftigen „unter aller Sau“ sind, um im Bild zu bleiben.

Statt eigenen Beschäftigten faire Löhne zu zahlen, lassen viele Großbetriebe die Arbeit von unterbezahlten ausländischen Arbeitern erledigen. Es ist gut, dass Arbeitsminister Hubertus Heil bereits vor Bekanntwerden des jüngsten Falles Tönnies am 20. Mai Eckpunkte für ein Gesetz vorlegte, wonach spätestens ab 1. Januar 2021 das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch von Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig und Werkvertragsgestaltungen und Arbeitnehmerüberlassungen somit nicht mehr möglich sind. Wir wollen durch klare gesetzliche Regeln Ausbeutung in Deutschland, weltweit und in allen Branchen stoppen.

Deshalb wollen wir in den Handelsabkommen der EU verbindlich festschreiben, dass nur Waren in die EU gelangen dürfen, die ohne Kinderarbeit unter Achtung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten und Umweltschutzstandards hergestellt wurden. Damit werden die Regierungen unserer Partnerländer in die Pflicht genommen.

Aber auch die Unternehmen tragen eine Verantwortung und dürfen sich nicht damit rausreden, dass in vielen Ländern die dortigen Behörden nichts gegen Kinderarbeit und andere Menschenrechtsverletzungen unternehmen.

Deshalb ist die von Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller in dieser Woche vorgestellte Initiative für ein Lieferkettengesetz ein Meilenstein gegen Ausbeutung und Kinderarbeit in Entwicklungsländern. Ich bin stolz, dass ich maßgeblich mit dazu beitragen konnte, dass in diesem Jahr bereits erfolgreich das nationale Durchführungsgesetz der EU-Verordnung für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für sogenannte Konfliktmineralien im Bundestag beschlossen wurde. Dies betrifft vor allem die Förderung von Gold, Zinn, Wolfram und Tantal beispielsweise im Kongo. Jetzt soll ein allgemeines Lieferkettengesetz Unternehmen zur Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmerrechten verpflichten - umfassend für alle Branchen. Viele verantwortungsvolle Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen eine gesetzlich allgemein verbindliche Regelung, damit gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen garantiert werden. Die Funktionäre der Arbeitgeber- und Industrieverbände sowie das Wirtschaftsministerium haben hingegen leider noch nicht verstanden, dass Ausbeutung kein Wettbewerbsvorteil sein darf.

Wir Sozialdemokraten wollen den ehrbaren Kaufmann schützen und den Ausbeutern das Handwerk legen. Wir werden dafür sorgen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird und das Lieferkettengesetz kommt!