Ich erinnere mich sehr gut, wie ich als junger Abgeordneter im Januar 2003 wenige Monate nach meiner erstmaligen Wahl in den Bundestag der historischen gemeinsamen Sitzung des deutschen und französischen Parlamentes im Schloss Versailles anlässlich der 40-jährigen Unterzeichnung des Élysée-Vertrages beiwohnen durfte. Es war das erste Mal, dass die Nationalversammlung ein ausländisches Parlament komplett zu einer gemeinsamen Sitzung geladen hatte. Als während des gemeinsamen Singens der Nationalhymnen den vielen älteren französischen Kollegen die Tränen herunterkullerten, hat mich das sehr bewegt. Anschließend erzählten mir einige ältere französische Kollegen, dass sie, ihre Eltern und Großeltern die Deutschen immer nur als „Feinde“ kennengelernt hatten und welch unfassbares Leid die ständigen Kriege in die einzelnen Familien gebracht haben. Als ein im Jahr 1968 geborener Deutscher ist mir da so richtig bewusst geworden, dass der Frieden zwischen Deutschen und Franzosen genauso wenig eine Selbstverständlichkeit ist wie der Frieden in Europa insgesamt. Neben bilateralen Freundschaftsverträgen hat vor allem die Europäische Union wesentlich dazu beigetragen, dass Deutsche in Frieden mit ihren Nachbarn leben.
Natürlich darf und muss man nicht alles gut finden, was in Brüssel entschieden wird. Im Gegenteil, eine kritische Auseinandersetzung mit Entscheidungen der Kommission oder des Europäischen Parlamentes gehört ausdrücklich zu den demokratischen Werten Europas. Und eine lebendige Auseinandersetzung mit der europäischen Politik stärkt Europa und schwächt es nicht.
Wer die Europäische Union und das Europäische Parlament hingegen als Institutionen schwächen oder gar abschaffen will, so wie es rechte Populisten auch in Deutschland fordern, gefährdet den Frieden in Europa. Auch deshalb ist es so wichtig, bei der kommenden Europawahl demokratischen, pro-europäischen Parteien die Stimme zu geben, damit Nationalisten und Populisten den Frieden in Europa nicht zerstören können.