Sie hat es allen richtig gezeigt

Jacqueline Garski schaffte es trotz „Übergewicht“ bis in die 1. Volleyball-Bundesliga.

Bad Soden-Salmünster – Es war keine einfache Zeit. Schon am Anfang ihrer Karriere entsprach Jacqueline Garski nicht dem „typischen“ Bild einer hochklassigen Volleyballerin. Schlank, groß, mitunter fast hager – so sahen viele Teamkolleginnen aus. Sie selbst brachte schon damals ein paar Kilo mehr mit – was im Grunde völlig nebensächlich ist, sofern die Leistung stimmt. Ein früherer Trainer der TG Bad Soden sah das anders und sortierte sie aus. „Er kam nicht so mit meinem Gewicht klar. Er wollte keinen Menschen mit Übergewicht in der Mannschaft haben“, erinnert sich Jacqueline Garski. Die gebürtige Frankfurterin hatte an der Entscheidung verständlicherweise schwer zu knabbern. „Meine Mutter sagte mir damals: Ich habe noch nie jemanden so weinen hören. Das war eine schlimme Phase für mich. Selbst heute ist es für mich noch sehr emotional.“

Sie verließ den Verein und stand vor der Frage: Weitermachen? Viele Sportler hätten in diesem Moment vermutlich nicht die Motivation gehabt, einen neuen Anlauf zu nehmen. Doch Jacqueline Garski wusste sich in dieser Sportart grundsätzlich wohlzufühlen. Als Kind hatte sie in Frankfurt zuerst Fußball gespielt, dann in Nieder-Erlenbach Tennis ausprobiert. „Beim Tennis ist mir klar geworden, dass ich Teamsport brauche. Ich brauche Menschen um mich herum, die mich unterstützen – und die ich unterstützen kann.“ Und so begann sie „mit zwölf oder 13 Jahren“ in Kalbach mit Volleyball. Sie liebt diesen Sport. Daher bewies sie großen Mut und schloss sich dem Drittligisten Bad Vilbel an. „Ich wurde dort sehr gut aufgefangen“, erinnert sie sich: „Ich habe aber drei Jahre gebraucht, bis ich mich wieder gefangen hatte“.

Trotz der mentalen Situation brachte sie konstant gute Leistungen. Und plötzlich flatterte ein noch höheres Angebot ins Haus. „Ich habe meinen ganzen Mut zusammen gefasst und bin in die 2. Liga zu Waldgirmes gegangen.“ Auch dort behauptete sie sich. Sehr gut sogar. Denn es ging sogar noch eine Stufe höher hinaus. „Nach der Hinrunde bekam ich eine Anfrage aus Suhl, aus der 1. Liga. Sie brauchten dort eine Zuspielerin.“ Jacqueline Garski sagte erneut zu.

„Ich habe die Chance genutzt, weil ich allen Menschen zeigen wollte: Auch ein Mensch, der übergewichtig ist, kann Leistungssport betreiben.“ Rückblickend meint sie: „Ich war mit ziemlicher Sicherheit die kräftigste Spielerin in der 1. Bundesliga.“

Was nichts daran änderte, dass sie sportlich mithalten konnte. Mit ihrer Körpergröße von 1,80 Meter ist sie ja keinesfalls klein. Sie bekam dort allerdings auch die Schattenseiten des „Profisports“ zu spüren. „Ich habe gemerkt, meine Familie und Freunde um mich herum zu brauchen. Ich lebte in Suhl mehr oder weniger alleine.“ Also schaute sie sich wieder nach einem Verein in ihrer Region um. Und schloss ihren Frieden mit Bad Soden: Im Sommer diesen Jahres kehrte sie zur TG zurück. Zu jenem Verein, bei dem der damalige Trainer längst nicht mehr arbeitet.

Das personell neu zusammengestellte Team von Trainerin Kerstin Dudichum belegt aktuell zur Winterpause in der 2. Bundesliga Süd Platz sechs – mit nur zwei Punkten Rückstand auf Rang zwei. Jacqueline Garski steht viel auf dem Platz, gehört erneut zu den Leistungsträgerinnen, ist voll integriert. Zumal sie auf fast allen Positionen eingesetzt werden kann. Früher als Jugendliche fing sie im Mittelblock an. „Dann hieß es, ich habe so einen Bumms, ich muss auf Diagonal spielen.“ Später spielte sie auch Libero und Außen. In dieser Saison nun wieder hauptsächlich auf ihrer Stammposition Diagonal und als Zuspielerin.

„Die Mädels sind ganz toll in Bad Soden“, sagt die gebürtige Frankfurterin. Der Teamgeist sei „für die erste Saison mega-gut, schon überragend“. Freilich werde immer mal über ihre Gesundheit gesprochen.

„Das ist aber sowieso immer mal ein Thema. Deswegen finde ich es in Ordnung. Wir schauen auf die Ernährung, aber keine sagt, du musst abnehmen. Ich bin dort sehr gut aufgehoben.“ Auch sportlich laufe es gut, alle seien „ambitioniert“. Am 13. Januar geht die Saison weiter mit der Partie in Planegg-Krailling.

Die Fahrt zu den drei Trainingseinheiten pro Woche nimmt Zeit in Anspruch. Die 27-Jährige wohnt in Seligenstadt, würde aber gerne lange in Bad Soden bleiben. Das wiederum hängt diesmal von ihrer beruflichen Zukunft ab: Im September beendet sie ihr duales Studium Soziale Arbeit in Frankfurt. Erhält sie einen Job in der Region, „bleibe ich in Bad Soden. Das ist meine Heimat.“

Die positive Ausnahmeerscheinung kann längst stolz sein auf den Weg, den sie gegangen ist – mit dem Höhepunkt 1. Liga. „Diese Erfahrung war toll. Ich bin total froh, die Chance genutzt zu haben.“ Der frühe Rückschlag mit dem Trainer in Bad Soden hat sie zwar „emotional stark geprägt. Ich habe mein Leben lang damit zu kämpfen.“ Aber längst ist sie angekommen im Leistungssport. Im Teamsport. „Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, versuche, alle mitzureißen. Das ist meine Stärke. Ich brauche ein Team, das sich gegenseitig stärkt.“

Worte, die jeder Trainer gerne hören dürfte.

Von Harald Joisten

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