Stillhalten ist keine Option

Dr. Peter Tauber (CDU), Bundestagsabgeordneter

Eine Woche liegt der rechtsextreme Mordanschlag in Hanau zurück. Wir trauern gemeinsam mit den Familien und Freunden der zehn Ermordeten. Sie waren Freunde, Kollegen, Nachbarn - unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dass es ihre Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft überhaupt zu betonen gilt, ist traurig und beschämend. Rassistische Morde geschehen nicht, weil die Opfer „fremd“ sind oder zu sein scheinen. Sie geschehen einzig und allein, weil die Täter rassistisch denken und handeln.

Wenn sich der Verdacht im Rahmen der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft erhärtet, ist die grauenhafte Tat in Hanau bereits der dritte rechtsextreme Mordanschlag in der Bundesrepublik binnen eines Jahres. Wir alle erinnern den 9. Oktober 2019, die Bilder aus Halle, wo an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ein bewaffneter Attentäter versuchte, in eine Synagoge einzudringen und anschließend zwei unschuldige Menschen in unmittelbarer Nähe tötete. Wir erinnern ebenfalls den 2. Juni 2019, an dem der CDU-Politiker und Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke vor seinem Wohnhaus durch einen bekennenden Rechtsradikalen hingerichtet wurde. Hinzukommen zahlreiche durch die Sicherheitsbehörden vereitelte rechtsextremistische Straftaten.

Was wir hier sehen, ist keine vage Tendenz, sondern ein systematisches Erstarken rassistischer und menschenverachtender Gesinnungen. Jeder einzelne Vorfall verpflichtet uns, zu handeln. Als Staat, als Zivilgesellschaft, als Menschen. Ich halte es deshalb für angemessen, dass es eben keine rasche Rückkehr zur Tagesordnung gab in den vergangenen sieben Tagen. Das Erschrecken, die Anteilnahme und die Empörung, die durch beinahe die gesamte Gesellschaft gingen - sie halten weiterhin an. Stillhalten ist keine Option.

Wir müssen uns darüber hinaus aber auch mit der Frage auseinandersetzen, was den Nährboden, aus dem menschenverachtende Taten wie in Hanau, Halle oder Kassel erwachsen, düngt. Wer oder was ermutigt die Täter? Woher nehmen sie die krude Überzeugung, dass ihre rechtsextremen Verbrechen legitim sind?

Seit Jahren beobachten wir eine Verrohung des politischen Diskurses. Hass, Hetze und die Androhung von Gewalt, wie wir sie aktuell im Netz und zunehmend auch im persönlichen Miteinander erleben, haben ein Ausmaß erreicht, das es uns nicht erlaubt, wegzusehen. Der Ermordung Walter Lübckes durch einen bekennenden Rechtsextremen war eine üble Hetzkampagne im Netz vorausgegangen, an der sich auch Politikerinnen und Politiker der AfD und Menschen wie Erika Steinbach maßgeblich beteiligt haben. Durch das Schüren von Ressentiments sowie die Verbreitung von Falschmeldungen und Gerüchten befeuern sie ein gesellschaftliches Klima, das die Abwertung andersaussehender, andersgläubiger und andersdenkender Menschen in Deutschland wieder salonfähig macht. Gerade vor diesem Hintergrund halte ich es für essenziell, dass der Rechtsstaat rechtsextreme Straftaten wie die Leugnung des Holocausts hart und schnell bestraft. Menschen, die nicht für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten und sie torpedieren, gehören aus dem Öffentlichen Dienst entfernt. Soweit darf es aber gar nicht erst kommen. Um derartige Bestrebungen im Keim zu ersticken, hilft langfristig vor allem die konsequente Erziehung hin zu Demokratie und Toleranz.

Nach rechtsextremen Verbrechen wie in Hanau, Halle oder Kassel darf es aber nicht ausschließlich um die Täter gehen. Ihnen ist mit der vollen Härte des Gesetzes zu begegnen. Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir dabei aber neben den Opfern auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrem Engagement für eine offene Gesellschaft durch die zunehmende politische Gewalt und Gewaltbereitschaft von rechts bedroht fühlen. Menschen, die momentan vielleicht infrage stellen, ob ihr Platz oder der ihrer Kinder und Enkelkinder in unserer Gesellschaft langfristig gesichert ist. Ihnen gilt es, die Verunsicherung und die Zweifel zu nehmen. Um es mit den Worten des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu sagen: „Wir stehen zusammen und halten zusammen. Das ist das stärkste Mittel gegen den Hass.“