Ausnahme wird zur Normalität

Heiko Kasseckert (CDU), MdL

Der Umgang mit der Pandemie stellt uns vor eine völlig neue und unbekannte Ausnahmesituation. Die politischen Entscheidungsträger sind auf die Empfehlungen und Mitwirkung der Wissenschaftler angewiesen. Jenseits der Bewertung einzelner Statistiken und Behauptungen ist aus meiner Sicht unbestritten, dass die ergriffenen Maßnahmen in Deutschland dazu geführt haben, dass die Sterblichkeit weit hinter anderen europäischen Ländern liegt, wozu auch die Qualität des deutschen Gesundheitssystems beigetragen hat.

Ein Blick nach Italien, Spanien oder Frankreich macht uns aber deutlich, dass wir in der Abwägung der Maßnahmen nicht nachlassen dürfen, damit ein Stresstest des Gesundheitswesens ausbleibt. Die Gesundheit und der Schutz des Lebens sind vorrangig der Maßstab unseres Handelns. In keinem anderen Land der Welt hätte ich eine solche Pandemie erleben wollen.

Inzwischen dürfte uns aber auch klar sein, dass der Umgang mit dem Virus keine kurzfristige und schnell vorübergehende Erscheinung ist. Wir werden uns darauf vorzubereiten haben, mit dem Virus zu leben, solange es noch keinen Impfstoff oder ein Medikament gibt. Damit wird die Ausnahme vorerst zur Normalität. Das bedeutet aber auch, dass es richtig war, schrittweise weitere Lockerungen zuzulassen. Kein Land der Welt kann über einen längeren Zeitraum einen solchen Lockdown verkraften - weder gesellschaftlich noch ökonomisch. Umso mehr muss uns klar sein, dass es auf die Mitwirkung eines jeden Einzelnen ankommt. Gerade jetzt ist die Beachtung der Abstands- und Hygieneregeln besonders wichtig. Wir dürfen keine starke zweite Welle bekommen, da ich befürchte, dass weder die Akzeptanz in der Bevölkerung zurückkehren würde, wir aber auch finanziell nicht mehr in der Lage wären, einen zweiten Lockdown zu verkraften.

Für viele kommen die Lockerungen noch zu früh. Das zeigt die Verunsicherung, aber auch unsere Verantwortung, sich und andere zu schützen. Für viele Unternehmer hingegen geht es um jeden Tag, der früher und schneller die Rückkehr zur Geschäftstätigkeit bedeutet, um damit Arbeitsplätze und Zukunft zu sichern. Nachdem wir mit Steuerstundungen, Kreditmitteln und den Soforthilfen, von denen inzwischen über 800 Millionen Euro in Hessen ausgezahlt wurden, als Staat eine wichtige Liquiditätsüberbrückung geleistet haben und auch mit dem umfangreichen Kurzarbeitergeld viele Arbeitsplätze erhalten konnten, geht es nun darum, gezielte Förderprogramme und Konjunkturhilfen zu erarbeiten. Dazu zählen Deregulierung und finanzielle Hilfen, besonders in den Branchen, die noch lange auf eine Rückkehr zur Normalität warten müssen, etwa Tourismus, Messe, Veranstaltungen oder Luftverkehr. Bei staatlichen Förderprogrammen und kommunalen Investitionshilfen müssen Maßnahmen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen. Wir lernen jeden Tag neu, wir werden um einen gewissen Prozess von Versuch und Irrtum nicht herumkommen. Aber wir werden auch diese Krise meistern. Bleiben Sie gesund!