Marihuana-Pakete im Zwischendach versteckt

Die 2. Große Strafkammer am Hanauer Landgericht hat zwei Drogenkuriere ins Gefängnis geschickt. Symbolfoto: Thorsten Becker

Italienische Drogenkuriere fliegen bei kuriosem Unfall nahe Bad Orb auf. Das Landgericht Hanau verhängte nun moderate Strafen.

Main-Kinzig-Kreis – „Sie sind ein Teil von organisierten kriminellen Strukturen gewesen. Da steckt eine größere Bande dahinter“, sagt Richterin Tanja Philipp mit Blick auf Giuseppe C. (67) und Monica P. (41), die nun ihr Urteil entgegennehmen. Beide müssen ins Gefängnis, weil sie rund 137 Kilogramm Marihuana nach Deutschland eingeschmuggelt haben.

Bei einer kuriosen Pinkelpause auf dem Seitenstreifen der A66 bei Bad Orb war das Schmuggler-Duo im Juli vergangenen Jahres aufgeflogen, als bei einem Unfall die Drogen auf der Fahrbahn verteilt wurden. Nun muss der Fahrer für dreieinhalb Jahre hinter Gitter, seine Beifahrerin zweieinhalb Jahre.

„Sie hatten die Legende des Camper-Pärchens aufgebaut, das touristisch unterwegs ist“, stellt die Vorsitzende fest, die mit der 2. Großen Strafkammer einen tiefen Einblick in das internationale Verbrechen bekommt. Das liegt daran, dass die beiden Angeklagten, wie von der Verteidigung angekündigt, ein umfassendes Geständnis ablegen.

Eigentlich sind Tarnung und Legende nahezu perfekt, als das Duo im Juli vergangenen Jahres den „Job“ übernimmt. „Ich hatte nach einem Unfall hohe Schulden. Ein Freund wusste davon und hat mir 5000 Euro für die Tour angeboten“, sagt die 41-jährige Norditalienerin, die ein One-Way-Ticket bucht und von Triest nach Alicante fliegt. Dort trifft sie Giuseppe, der von Berlin einfliegt. „Wir beide kennen uns“, heißt es. Und beide seien schon zusammen „im Urlaub gewesen“. Daher gibt es auch ein ausgedrucktes Foto. Beide tragen darauf coole Sonnenbrillen. Es könnte also durchaus ein Pärchen sein, das da unterwegs ist. Oder ein Vater, der zusammen mit seiner Tochter im Wohnmobil unterwegs ist.

Beide wissen, dass sie Drogen transportieren, als sie in Alicante den Ford-Camper mit dem Berliner Kennzeichen übernehmen. „Ja, das wussten wir – aber nicht, dass es eine so riesige Menge ist“, beteuert Monica. Und beide geben danach wirklich die „perfekten Touristen“, obwohl ihr eigentliches Ziel die Bundeshauptstadt ist. Dort soll Giuseppe das Wohnmobil abstellen. Auftrag erledigt.

„Die beiden sind nach unseren Erkenntnissen über Nebenstraßen gefahren und hatten es nicht eilig“, berichtet ein Hanauer Drogenfahnder, der als Zeuge aussagt. Das Versteck sei „hochprofessionell“ eingerichtet worden. „Mit Kunstharz ist das Dach einfach aufgestockt worden. In diesem Aufbau gab es fünf große Kammern, in der die großen Drogenbeutel versteckt wurden. Alles wurde mit Zierleisten getarnt. Von außen hätte man das nicht erkennen können“, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar, der im Juli unverhofft einen der größten Drogenfunde der vergangenen Jahre im Main-Kinzig-Kreis quasi auf dem Silbertablett serviert bekommt.

Denn die perfekte Tarnung fliegt auf, als Giuseppe C. „dringend auf die Toilette“ muss und kurz hinter der Autobahnanschlussstelle Bad Orb den Camper auf dem Seitenstreifen parkt. Ein Lebensmittellaster streift das Wohnmobil so heftig, dass der komplette Aufbau zerstört wird, während C. auf dem stillen Örtchen sitzt. „Der hatte einen Schutzengel, denn er hat diesen Unfall ohne Blessuren überstanden“, so der Drogenfahnder.

Auch der 22-jährige Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes staunt nicht schlecht, als er das „Trümmerfeld“ auf dem Seitenstreifen entdeckt. „Wir waren auf einer Dienstfahrt nach Steinau und sind kurz nach dem Unfall auf die A66 aufgefahren“, sagt der Helfer, der sofort das Blaulicht einschaltet, den Ort des Geschehens absichert und sich um die „Unfallopfer“ kümmert.

Und schnell merkt der Sanitäter, dass an diesem heißen Julitag etwas anders ist. Überall auf dem Seitenstreifen und an der Böschung liegen Drogenpakete. Ob er das denn sofort erkannt hat, will Richterin Philipp wissen. „Das war so viel, das habe ich selbst durch meine Maske gerochen“, berichtet der Zeuge. Ein Grinsen geht durch den Saal.

Dass die beiden Italiener nur die „Lakaien“ auf dieser Fahrt gewesen sind, steht zur Überzeugung der Kammer fest. Doch das Wohnmobil mit dem Versteck, so hat die Hanauer Kripo recherchiert, ist wohl nicht das erste Mal von Spanien aus unterwegs gewesen. „Seit der neuen Zulassung in Berlin ist der Camper pro Woche schätzungsweise 3300 Kilometer unterwegs gewesen. Da wurde wohl ziemlich oft und viel transportiert“, vermutet der Hanauer Kriminalist.

VON THORSTEN BECKER